Historisches

Die Geschichte des Veilchendienstagszuges und die Entwicklung der Karnevalsgesellschaft von 1863 bis 1945

Nachdem die Maskenzüge im Verlauf des 19. Jahrhunderts ein immer größeres Ausmaß erreicht hatten und die Gefahr bestand, dass öffentliche Ordnung und Sicherheit aus den Fugen zu brechen drohten, kamen die „Kattfiller“ nicht umhin, eine Organisation ins Leben zu rufen, die sich der Koordination der Umzüge annahm.

So wird 1863 erstmals ein Comitè erwähnt, das zum traditionellen Maskenball Auf dem Rathaussaal zu Attendorn am Rosenmontag einlädt. Im selben Inserat des Olper Kreisblatts vom 14.2.1863 erschien die Notiz: Der Maskenzug setzt sich Dienstag um 1 Uhr mittags in Bewegung. Mit dieser Bemerkung wird in Attendorn erstmals eine fastnachtliche Organi-sation aktiv, die sich offiziell um die Koordination des karnevalistischen Brauchtums sorgte und 1863 den ersten organisierten Veilchendienstagszug durch die Straßen von „Klein-Köln“ führte: Basis für die Feierlichkeiten zum 125jährigen Bestehen des Veilchendienstagszuges im Jahre 1988!

Für das Jahr 1865 ist die älteste komplette Zugaufstellung des Attendorner Veilchen-dienstagszuges überliefert, abgedruckt im Olper Kreisblatt vom 25. Februar 1865.

Möglicherweise kam das Fastnachtstreiben durch die Ereignisse des deutsch-franzöischen Krieges 1870/71 in Attendorn zum Erliegen, da sich in den Jahren nach 1871 keine Unterlagen über die Tätigkeiten Attendorner Karnevalisten auffinden lassen. Zwar gab es nach wie vor Saalveranstaltungen, doch fehlte für die Organisation der Umzüge eine Initiativgruppe. Dies änderte sich erst 1899, als der karnevalistische Verein „Immergrün“ mit 40 Mitgliedern gegründet wurde. Vom Vereinslokal Hotel Rauch aus nahmen in den Jahren 1899 bis 1903 die Züge ihren Ausgang.

Interessant ist die Tatsache, dass beim Veilchendienstagszug 1903 die Gestalten der Jungfrauen Colonia und Venezia auftauchen, die auch in den ältesten Umzügen des Kölner Karnevals erscheinen. In Köln wurde die heidnische Colonia als Symbol der Stadt Köln später zur „Kölnischen Jungfrau“ umfunktioniert. Auch hier ist in Attendorn eine enge Beziehung zum Vorbild Köln erkennbar.

1906 ging der Karnevalsverein Immergrün aus nicht mehr feststellbaren Gründen ein und hat bis 1914 keine weiteren Züge mehr organisiert.

Am 8. Dezember 1912 beschlossen der Theaterverein „Maiglöckchen“ und der „Club Brüderlichkeit“ erneut, einen karnevalistischen Verein ins Leben zu rufen. Der Name „Immergrün“ erhielt seine zweite Taufe und wurde für die nächsten Jahrzehnte zum Markenzeichen karnevalistischer Brauchtumspflege in Attendorn. Mit der Gründung dieses Vereins am 8.12.1912 wurde gleichzeitig der Grundstein zur heutigen Karnevalsgesellschaft gelegt, die seitdem ununterbrochen besteht. Hieraus leitet sich auch das 75jährige Bestehen der Karnevalsgesellschaft im November 1987 ab.

Da der Zug 1913 keine Genehmigung erhielt, konnte der junge Verein erst 1914 seinen ersten Veilchendienstagszug präsentieren. Leider legte der Ausbruch des Ersten Weltkriegs jegliches karnevalistisches Treiben lahm.

Erst 1925 starteten einige Narren den Versuch, den Karnevalsverein „Immergrün“ mit neuem Leben zu erfüllen. Zwar war der Prinz auf den Straßen wegen der großen Not der Bevölkerung nicht gern gesehen, doch feierten die Attendorner umso mehr innerhalb geschlossener Gesellschaften.

In der Jahreshauptversammlung am 11.11.1926 wählte man erstmals einen Elferrat. Der Umzug 1927 wurde erstmals seit 1914 wieder im größeren Rahmen durchgeführt. Am 11.11.1927 benannte man den karnevalistischen Verein Immergrün in „Attendorner Karnevalsgesellschaft“ um.

1928 stellte man den bis dahin größten Veilchendienstagszug mit 16 Motivwagen auf die Beine.

Zur Session 1928/1929 erschien eine zweifarbig gedruckte Fastnachtszeitung. Karnevalszeitungen gab es schon seit 1904 und die Verantwortlichen scheuten keine Kosten und Mühen, alljährlich das Amtliche närrische Organ aller Kattfiller heraus zu geben, gewürzt mit frechen Seitenhieben. Der Zündstoff hierzu wurde vornehmlich aus Briefkästen entnom-men, die seit 1925 in den Gastwirtschaften der Stadt aushingen.

Wegen der 1929 ausgelösten Weltwirtschaftskrise wurden in den Jahren 1931 und 1932 keine Veilchendienstagsumzüge durchgeführt. Dieser Ausfall wurde aber 1933 wettgemacht. Unter dem Motto „Wir kurbeln an“ erklärten sich spontan 15 Gruppen bereit, einen Motivwagen zu bauen.

In der Generalversammlung am 11.11.1934 mußten die Karnevalisten, wie alle anderen Vereine der Stadt auch, erfahren, dass eine neue politische Zeit angebrochen war. Diktatur trat an die Stelle der Demokratie, und so ernannte der stellvertretende Ortsgruppenleiter der NSDAP Franz Schulte zum neuen Präsidenten der Karnevalsgesellschaft. Dieser ernannte seinerseits einen neuen Vorstand. Trotz dieser politisch erzwungenen Vorstandsumbildung ließen es sich die Karnevalisten in den folgenden Jahren bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nicht nehmen, glanzvolle Züge auf die Beine zu stellen.

Mit dem Ausbruch des Krieges kehrte Ruhe ein im Attendorner Karnevalstreiben. Zwar traf sich die Gesellschaft noch einmal zu einer Versammlung am 4.2.1940 im Hotel Rauch, auch fand am 16.2.1940 im Café Hundt die Veranstaltung zu Lütgenfastnacht statt, doch verstummte ansonsten wegen des Krieges bis 1948 jegliches Narrentreiben.