Historisches

Geschichte des Saalkarnevals
Die älteste bekannte Erwähnung vom Attendorner Fastnachtstreiben verdanken wir den genauen Tagebuchaufzeichnungen des ehemaligen Landdrosten von Westfalen, Caspar von Fürstenberg. Nachdem dieser sich die Burg Schnellenberg als Alterssitz ausgebaut und sich dort eingelebt hatte, nahm er auch verstärkt an den damals schon reichlich vorhandenen Attendorner Festlichkeiten teil.

So wurden neben Fronleichnam, Schützenfest und Ratswahl auch schon der Fastnachtstag in Attendorn gefeiert, der am 10. Februar 1600 festlich begangen wurde. Caspar von Fürstenberg notierte die Ereignisse des Tages in seinem Tagebuch:

Ich, mein son und Spiegel gehen frue uf den Schnellenbergh. Inmittelst kumbt Enneke an, halten also mit den herrn von Attendorn einen fröhlichen Vasenachtstag uf dem Weinhause.

Offensichtlich fand im Attendorner Weinhaus ein Fastnachtsgelage statt, zu dem die Honoratioren des mittelalterlichen Attendorn geladen waren. Zu ihnen zählten sicherlich der Bürgermeister, Ratsherren, Zunftrichter, ehrbare Handwerker und Kaufleute, und eben der neue Nachbar vom Schnellenberg, Caspar von Fürstenberg. Fürstenberg’s Bedarf schien an diesem Abend nicht gedeckt worden zu sein, da er am anderen Tag, den 11. Februar 1600, in sein Tagebuch vermerkt:

Muß mich noch mit Christoff von Plettenbergh und den hern von Attendorn vollsaufen … Hab in Attendorn 15 taler verzehrt.

In den folgenden 200 Jahren sind Notizen über das hiesige Fastnachtstreiben so gut wie gar nicht greifbar. Auch sonst noch so reiche Quellen schweigen sich über Karneval aus. Dies hat auch seine Ursache in den zahlreichen Stadtbränden, die sich während des 17. Und 18. Jahrhunderts in Attendorn ereigneten, und in denen wertvolle Schriftstücke ein Raub der Flammen wurden.

Das Fastnachtstreiben scheint aber nicht aufgehört zu haben. Es geriet sogar teilweise in so unkontrollierte Bahnen, dass sich der Landesherr, Kurfürst Josef Clemens von Köln, veranlasst fühlte, in der Chur-Cöllnischen-Herzogthumbs Westphalen verbesserte Policey-Ordnung (1723) eigens auf die Fastnacht und damit verbundenen Gebräuche einzugehen.

Auch im Raum Attendorn sind fastnachtliche Sitten und Unsitten, so wie sie in der Polizeiver-ordnung von 1723 ausdrücklich verboten werden, überliefert. Der Attendorner Sparkassen-direktor Josef Hüttemann hat 1938 in mühevoller Kleinarbeit die bis dahin noch nicht publi-zierten, aber noch praktizierten Gebräuche zusammengetragen und für die Nachwelt festge-halten. Aus seinen Aufzeichnungen geht hervor, dass das Brauchtum in damaliger Zeit von der plattdeutschen Sprache beherrscht wurde. Überliefert sind bis heute das sogenannte Christiansingen, bei dem eine Strohpuppe als Symbol des Winters verbrannt wurde. Auch gab es das Würstesingen, bei dem vor allem die Schuljugend von Haus zu Haus zog. Dabei sang man folgendes Lied:

Lüttken, lüttken Fasselowend.
Vie hett hort, ich herren schlachtet.
Ich herret so gurre Würste maket.
Giat uns aine, owwer keine ganze kleine.
Lott das Messerken sinken,
in dian dicken Schinken.
Lott dat Messerken an dai Wand
Un schnitt dat Stück drei Jellen lang.
Lott uns nit te lange stohn,
vie mott noch ein Hüsken widder gohn.

Eng verbunden mit Brauchtum ist meistens auch die Entstehung von Sagen. Für Attendorn ist in diesem Zusammenhang die Sage vom Kattfiller von Bedeutung, da das Wort „Kattfiller“ heute noch im Attendorner Karneval als Schlachtruf Verwendung findet.

Die älteste Fassung der Kattfillersage ist im Arnsberger Wochenblatt vom 8. März 1826 überliefert, das Original des Textes soll sich im Pfarrarchiv Rahrbach befinden.

Warum „Kattfiller“ statt „Alaaf“ oder „Helau“

Es war im Jahre 1583, als der Kölner Erzbischof und Kurfürst Gebhard Truchseß von Waldburg sein gesamtes katholisches Erzbistum Köln zur Annahme des protestantischen Glaubens zwingen wollte. Viele Städte folgten auch seinem Aufruf, nicht aber das „erzkatholische” Sauerland.

So blieb Truchseß nichts anderes übrig, als persönlich mit einer Streitmacht ins Sauerland zu reisen, um die Bürger zu zwingen, dem katholischen Glauben zu entsagen. Er kam so auch nach Attendorn, gelangte durch eine List in die Stadt und zerstörte sämtliche Kunstgegenstände in der Pfarrkirche.

An dieser Stelle setzt nun die Sage ein:
Die Attendorner hätten, so berichtet sie, den weiterziehenden Erzbischof in äußerster Wut zu nahegelegenen Burg Bilstein verfolgt. Eines Mittags habe einer der belagernden Schützen den vermeintlich schlafenden Erzbischof im Fenster der Burg gesehen. Er habe die Armbrust genommen, gezielt und …getroffen. Heruntergefallen sei aber nicht der tödlich verwundete Erzbischof, sondern eine schlohweiße Mauerkatze.

Die Bilsteiner hätten daraufhin spöttisch hinter den abziehenden Attendornern hergerufen:
„Dort ziehen sie hin, die Kattfiller (Katzenmörder)!”

Seit dieser Zeit heißen die Attendorner mit Beinamen „Kattfiller”, der Schlachtruf zu Karneval heißt dementsprechend:

„Ein dreifaches Katt-filler, Katt-filler, Katt-filler!”

Mit dem Wechsel vom 18. zum 19. Jahrhundert werden zahlreiche Quellen greifbar (Akten des Stadtarchivs, Zeitungen, Vereinsunterlagen etc.), welche die Geschichte des Attendorner Karnevals mit handfesten Fakten anreichern. So sind besonders die Unterlagen der städti-schen Armenverwaltung reich an Material zur Erhellung der bis dahin fast völlig im Dunkeln liegenden und auf Vermutungen angewiesenen fastnachtlichen Geschichtsschreibung.

In den Rechnungsbelegen zu den Jahresrechnungen der Attendorner Armenkasse gibt es zahlreiche Hinweise, dass diejenigen Personen, die sich über die Fastnachtstage verkleiden wollten, einen entsprechenden Beitrag an die Armenkasse zu entrichten hatten! Dafür erhielten sie eine Legitimationskarte, quasi die obrigkeitliche Erlaubnis zur Maskierung.

Sowohl die Legitimationsnachweise einerseits, wie auch die obrigkeitlichen Verfügungen andererseits, belegen, das bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Form von Maskenumzügen in Attendorn nachzuweisen ist. Wann solche Umzüge entstanden sind, entzieht sich trotz genauester Quellenstudien immer noch unserer Kenntnis. 1849 war das Spektakel in Attendorn bereits so ausgedehnt, daß die „Attendorner Blätter“, eine Zeitung der revolutionären demokratischen Bewegung, während der Fastnachtstage ihr Erscheinen reduzierte.

Schließlich vollzog sich der Wandel vom spontanen, brauchtümlich angehauchten Straßenkarneval mit kleineren Maskenumzügen zum organisierten Veilchendienstagsumzug.

Nicht nur auf der Straße, auch im Saal gab es in Attendorn zu Beginn des 19. Jahrhunderts bereits regelmäßige Veranstaltungen. So sorgte die 1822 gegründete Liebhaber-Theater-gesellschaft nicht nur für die Gründung eines Musikvereins oder die Bepflanzung der Pro-menaden mit Linden, sondern auch für die regelmäßige Aufführung von Fastnachtsspielen auf der damals gerade neu errichteten Bühne des Rathaussaales. Der bekannteste Autor von Fastnachts-Thatern war in Attendorn offensichtlich August von Kotzebue. Er wurde am 30.5.1761 in Weimar geboren und schrieb rund 200 Stücke, die zur Goethezeit die Bühnen beherrschten.

Neben diesen „offiziellen“ Veranstaltungen „auf dem Rathaussaal“ gab es aber auch bereits Maskenbälle in den Gaststuben heimischer Wirtsleute. Auch für solche Veranstaltungen mußte eine sogenannte Lustbarkeitssteuer an die städtische Armenkasse entrichtet werden.

Eine Besonderheit im Ablauf der Fastnachtstage kam im Jahre 1852 hinzu. Der Bürger-Gesangverein veranstaltete ein Konzert zu Gunsten der städtischen Armenkasse und ließ damit eine Tradition aus den ersten Jahren des Jahrhunderts wieder aufleben, die schon fast in Vergessenheit geraten war. Solche Konzerte wurden regelmäßig am Fastnachtsmontag im Rathaussaal veranstaltet.

Konzertveranstaltungen im Rahmen der Attendorner Karnevalstage, wie sie vor mehr als 130 Jahren üblich waren, gibt es zwar nicht mehr; nach wie vor werden aber Veranstaltungen einzelner Gruppen und Vereine gern besucht.

Wenn auch ein vollständiges Bild über die Ursprünge des Attendorner Karnevals nicht gezeichnet werden kann, so ist doch festzustellen, dass „Vasenacht“ im Jahre 1600 und „Fastnachtslustbarkeiten des 19. Jahrhunderts immers schon eine Angelegenheit großer Teile der Bürgerschaft, wenn nicht sogar der Gesamtbevölkerung Attendorns schlechthin waren. Erst durch den Wandel von Fastnacht zum Karneval nach rheinischem Vorbild vollzog sich der Ablauf der Feierlichkeiten weitestgehend innerhalb geschlossener Gesellschaften und Vereine.